Blog Post

Gelungenes Marketing geht anders

Kathrin Lange • 6. Juli 2020

Eltern unterstützen, Bäume retten – alles sehr schöne Ideen. Aber sie gehen an der Realität von jenem Teil der Branche vorbei, die gerade unter der Krise am Meisten zu leiden haben.

Heute morgen las ich wie jeden Morgen den Newsletter des Börsenblatts, des Branchenorgans des Buchhandels. Unter der Überschrift "Bäume pflanzen statt Preisänderung" wurde dort verkündet, dass zwei nicht ganz kleine Verlage sich entschieden haben, mit den Mehreinnahmen, die die Mehrwertsteuersenkung ihnen beschert, Gutes zu tun.1 Der Klett-Verlag möchte mit dem Geld diejenigen unterstützen, "die es im Zuge der Pandemie echt schwer hatten: Eltern von kleinen Kindern"2.  Und die Berliner Verlagsgruppe möchte mit dem Geld 50 Bäume für Prima Klima e.V. pflanzen.
Tolle Ideen!
Oder?
Damit kein Missverständnis entsteht: Auch ich finde Eltern und den Wald hochgradig unterstützens- und schützenswert.
Trotzdem verursacht mir als Autorin diese Art von Marketing ein schales Gefühl. Seit die Mehrwertsteuersenkung verkündet wurde, habe ich nämlich schon einen ganz radikalen Gedanken: Wie wäre es, wenn Verlage die Menschen "unterstützen", die es gerade ebenfalls „echt schwer“ haben, und die trotzdem und auch noch jetzt in der Krise dafür sorgen, dass sie überhaupt etwas haben, was man veröffentlichen kann? Auf den Punkt gebracht: Warum kommt keiner auf die Idee, dass man die Mehrwertsteuersenkung auch (von mir aus zur Hälfte) an die Kreativen weitergeben könnte?
Ich wünsche mir einen Aufschrei der Autorinnen und Autoren, denen hier wieder einmal verdeutlicht wird, dass sie sich in der ganzen Kette der Wertschöpfung bitte ganz hinten anstellen dürfen. Hinter den Kunden, klar. Die sind wichtig. Aber bitte auch hinter den Bäumen (die liefern schließlich das Holz fürs Papier – okay, ich gebe zu, ich werde gerade ein bisschen polemisch, aber ich bin irgendwie auch echt sauer). In meinen Augen ist das kein gelungenes Marketing, sondern ein weiterer Tritt in den Allerwertesten von uns Kreativen.

Jetzt gerade, wo ich hier sitze und dies schreibe, stelle ich mir vor, dass ein Verlag vorangeht, und genau das einfach macht: Solidarität mit seinen Autor*innen zeigen. Klar, das wäre kein großer Marketing-Coup, weil irgendwie jeder spürt, dass es eine Selbstverständlichkeit sein sollte.
So retten wir eben stattdessen Bäume und es bleibt wieder mal alles beim: Danke für nichts!
 

1     Zum Grund, warum sich so viele Verlage entschieden haben, die Preissenkung nicht an die Kunden weiterzugeben, s. meinen Blogbeitrag vom 1.7.2020.
2     https://www.boersenblatt.net/news/verlage-news/baeume-pflanzen-statt-preisaenderung-109783?fbclid=IwAR3Q07Nj8-RRQfHul9DDZKqhwEl9KaWcHlWeNFaBlBoo7uIDzVLBdGSO_dY#comment-11645, (abgerufen 6.7.2020)
Beitragsfoto by Matthew Smith on Unsplash






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