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Warum Bücher nicht billiger werden

Kathrin Lange • 30. Juni 2020

Ich bin jetzt schon mehrfach gefragt worden, ob Bücher wegen der Senkung der Mehrwertsteuer ab heute auch billiger werden. In den allermeisten Fällen werden sie das nicht. Und das hat Gründe.

Der Gesetzgeber hat die Mehrwertsteuer-Senkung als Werkzeug der Konsumankurbelung beschlossen. Die Leute kaufen wieder mehr Autos, Klamotten, Möbel – und eben auch Bücher, wenn sie jetzt für einen geringen Zeitraum billiger sind. So der Gedanke, und aus diesem Grund werden Bücher im Moment statt mit 7% wie bisher mit 5% besteuert. (Der verminderte Mehrwertsteuersatz für Bücher gilt, weil man das Buch als wertvolles Kulturgut ansieht und entsprechend fördern möchte.) Trotzdem haben sich die meisten Verlage entschieden, die Preise für Bücher nicht herunterzusetzen und das hat nur auf den ersten Blick mit Gier zu tun. Es ist in einer Besonderheit der Buchbranche begründet: der Preisbindung für Bücher.
Preisbindung bedeutet, dass jedes Buch, das in Deutschland erscheint, überall genau das gleiche kostet. Die kleine Buchhandlung irgendwo auf der schwäbischen Alp verkauft also den neuen Fitzek oder das Special interest-Sachbuch über Fliegenfischen zum gleichen Preis wie die riesige Thalia-Filiale oder der Online-Krake mit dem großen A im Namen (ja, auch der unterliegt der Preisbindung, und das nervt den massiv, glaubt mir!). Wie der verminderte Mehrwertsteuersatz dient auch die Preisbindung dazu, das Buch als Kulturgut zu unterstützen und seine Verbreitung bis in die letzten Winkel unserer Republik sicherzustellen. Eine gute Sache also, von der auch wir Autor*innen profitieren.
Allerdings kommt genau diese Preisbindung dem Ziel der Mehrwertsteuersenkung in die Quere, und das hat mehrere Gründe. Erstens: Damit alle Buchhandlungen ein Buch zu demselben Preis verkaufen, legt der entsprechende Verlage diesen Preis fest und veröffentlicht ihn (z.B. in der Verlagsvorschau). Natürlich können nun auch Verlage einfach ihren Preis um den entsprechenden Prozentbetrag verringern und die Mehrwertsteuersenkung so den Kunden zugute kommen lassen.
Ja. Könnten sie machen.
Dann würden die auf den meisten Büchern eingedruckten Preise eben für die paar Monate nicht gelten. Ist ja nicht so schlimm.
Aber, und das ist der Haken an der Sache: Die Verlage sind per Verordnung dazu verpflichtet, Preissenkungen entsprechend zu veröffentlichen. Gängige Praxis ist, das per Preisänderungsanzeige in den sogenannten Gelben Seiten des Börsenblatts zu tun, natürlich kostenpflichtig. Auch nicht so schlimm, schaltet man eben eine Anzeige, in der steht, dass alle Bücher von Verlag xy jetzt entsprechend billiger verkauft werden. Auch das könnte man mit Sicherheit regeln, wo in Coronazeiten ja plötzlich so vieles möglich ist, was vorher aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen nicht ging. Aber dann muss die Buchhandlung immer noch überprüfen, welcher Verlag die Mehrwertsteuersenkung an seine Kunden weitergibt und welcher nicht. Eine Buchhändlerin kann also nicht einfach, wie ein Supermarkt oder Autohänder, an der Kasse den entsprechenden Prozentbetrag automatisch vom Kaufpreis abziehen. Verkauft sie nämlich ein Buch eines Verlages, der den Ladenpreis eben nicht gesenkt hat, billiger, kann sie auf Schadenersatz und Unterlassung in Anspruch genommen werden. Die Senkung bedeutet also extrem viel Aufwand für die Buchhandlung, aber als Kunde könnte man sich jetzt immer noch denken: Na und? Müssen sie sich die Arbeit eben  machen.
Leider gibt es nun aber noch einen weiteren, ziemlich gemeinen Haken an der Sache. Und auch der hat mit einer weiteren Besonderheit des Preisbindungsgesetzes zu tun. Die besteht nämlich in Folgendem: "Eine Reduzierung des gebundenen Ladenpreises" löst "ein Recht des Handels auf Remission bzw. Differenzgutschrift für die innerhalb der letzten 12 Monate bezogenen Exemplare" aus*.
Das bedeutet in klaren Worten: Wird der Ladenpreis runtergesetzt, kann jede Buchhandlung für alle im vergangenen Jahr bezogenen Titel nachträglich auch diese Differenz vom Verlag zurückverlangen! Ein immenser Aufwand, der sich auch bis auf die Abrechnungen von uns Autor*innen durchschlagen würde.
Aus diesem Grund haben sich viele Verlage dafür entschieden, den Ladenpreis beizubehalten.

[Edit 6.7.2020: Ideen, was man mit dem zusätzlich verdienten Geld machen könnte, und was ich davon halte, entwickeln die Verlage gerade. S. dazu meinen Blogbeitrag vom 6.7.]
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* Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels und Christian Russ, Hat die Mehrwertsteuer-Senkung Auswirkungen auf den gebundenen Ladenpreis?; Artikel in Börsenblatt Online v. 2.6.2020; https://www.boersenblatt.net/news/verlage-news/preisbindung-hat-die-mehrwertsteuer-senkung-auswirkungen-auf-den-gebundenen (abgerufen am 6.7.2020).



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