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Reden wir! Reden wir?

Kathrin Lange • 12. November 2018

Manchmal bekomme ich Post von Menschen, denen meine Meinung nicht gefällt. Manchmal antworte ich ihnen.
Dies war so ein Fall.

Hallo, Herr ...,


vielen Dank für Ihre Mail, die ich erst dieser Tage lesen konnte, da ich viel auf Reisen war. Sie haben Sich große Mühe mit meinen Texten gegeben und mir einen sechs Seiten langen (!), eng bedruckten Leserbrief geschrieben. Dafür danke ich Ihnen, und ich bin auch ein bisschen beeindruckt, wie viel Zeit Sie mir gewidmet haben. Allerdings muss ich Ihnen gestehen, dass Sie nicht das erreichen, was Sie sich vorgenommen haben, nämlich „ein Loch in meine Realität zu schlagen“, und wissen Sie, warum?

Es liegt an Ihrer leider doch recht durchschaubaren Rhetorik. Darf ich einige Beispiele bringen?

„Ich meine es gut mit Ihnen“, schreiben sich recht zu Anfang. Lassen wir einmal das ganze Mansplaining-Thema raus, das derzeit viral geht, dann setzen Sie dennoch hier gleich zu Anfang eine Hierarchie fest, die mich als Adressatin klein macht. Schon an dieser Stelle haben Sie mich fast verloren.

Im Weiteren bringen Sie mir unter dem Mantel der statistischen „Wahrheit“ zwei Beispiele: Risikogruppe Herzinfarkte (alt, männlich, übergewichtig) und Risikogruppe Straftaten (jung, männlich, muslimisch). Ich komme Ihnen jetzt nicht mit meiner Skepsis, ob zumindest der zweite Teil Ihrer Statistik stimmt. Alle meine möglichen Argumente rund um Kriminalstatistiken, Niels Högel etc. kennen Sie sicher. Stattdessen weise ich Sie auf das so besonders gern von rechten Populisten benutzte Mittel der Gleichsetzung hin: Sie haben im Kopf eine direkte Verbindung gezogen: tödliche Krankheit / junge Muslime. Dies alles rhetorisch hübsch verpackt und harmlos wirkend.

An dieser Stelle fahre ich tatsächlich hoch, wie Sie in Ihrem Brief mutmaßen. Aber wir wollen reden. Also lese ich weiter.

Drittes Mittel: Überlegenen Intellekt zeigen. Sie zitieren Hegel. Wow. Ich bin beeindruckt, denn hat nicht sogar Goethe gesagt, dass er Hegel nicht verstanden hat? Sie aber haben es offenbar. Herzlichen Glückwunsch!
An dieser Stelle meiner Mail beginne auch ich mich, in rhetorischen Formen zu verlieren. Ich werde ironisch, und das gefällt mir nicht. Aber Sie sind an dieser Reaktion nicht ganz unschuldig, mutmaßen Sie doch, dass mir Hegels Dialektik nicht bekannt sein dürfte. (Wie war das oben mit dem Kleinmachen? Sie sind gut, das muss ich eingestehen.)

Wissen Sie, wo Sie mich vollständig verloren haben? An der Stelle, an der Sie allen Ernstes Udo Ulfkotte als Quelle zitieren. Hier breche ich (ich gestehe es, genervt, weil ich die investierte Zeit als verschwendet empfinde) ab, überfliege den Rest und bleibe an der Stelle hängen, an der Sie die vier Möglichkeiten aufzählen, wie ich auf Ihre Zeilen reagieren könnte. Als erstes (interessant, oder?) nennen Sie die Möglichkeit, dass ich mich Ihrer Meinung anschließe, um dann über meine eventuelle Vermutung, ich hielte Sie für einen AfD’ler, oder ich sei durch Ihre „Logik“ (Anführungszeichen von mir) irritiert, hin zu der Befürchtung zu kommen, ich hielte sie für einen Spinner. Eine Befürchtung, die Sie für sich selbst sofort kassieren, indem Sie ideologische Verblendung und Denkblockade bei mir argwöhnen. An dieser Stelle blasen Sie unseren Diskurs vollends in die Luft, weil mir alle „Ich meine es ja gut mit Ihnen“-Haltung nicht mehr nur ärgerlich, sondern dazu nun auch noch unehrlich vorkommt.
Eigentlich schade, denn über die von Ihnen angesprochenen Sachthemen wäre sicherlich gut zu diskutieren. Und einen Abgleich der verschiedenen Realitäten, in denen wir uns bewegen (tun wir das wirklich?), fände ich überaus spannend.

So aber ende ich diesen Brief mit einem Dank für die Zeit, die Sie in meine Texte und mich investiert haben und für die Denkanstöße, die Ihre Zeilen mir gegeben haben.

Mit freundlichen Grüßen
Kathrin Lange

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